Lehrstuhlprofil

I. Deutsch-jüdische Literatur- & Kulturgeschichte der Moderne

Es zählt zu den wich­tig­sten Auf­ga­ben des inter­dis­zi­pli­när zusam­men­geset­zten Lehr­stuhls, einen Bei­trag zur Re­kon­struk­tion und Prä­sen­tation der deutsch-jü­di­schen Li­te­ra­tur- und Kul­tur­ge­schich­te im Kon­text der eu­ro­pä­ischen Mo­derne zu leis­ten. Der Brei­te dieses Themen­fel­des ent­spricht die Viel­falt im Lehr­ange­bot und in der For­schungs­tä­tig­keit des Lehr­stuhl­teams: Sie reicht von der Be­schäf­ti­gung mit Werk und Wir­ken deutsch-jü­di­scher Auto­rin­nen und Au­toren als in­nova­tivem Be­stand­teil lite­ra­ri­scher Kul­tur in Deutsch­land (Habi­li­ta­tions­pro­jekt "Politik und Poetik jüdisch-nichtjüdischer Freundschaften in der deutsch-jüdischen Literaturgeschichte seit der Aufklärung") über die Entwicklung neuer Forschungsfragen zum Spannungsfeld von Antisemitismus, jüdischer Identität und politischer Kultur (Habi­li­ta­tions­pro­jekt "Im Schatten August Bebels).

Positionen der deutschen Sozialdemokratie zu Antisemitismus und Zionismus (1918-1932)") bis hin zur Un­ter­suchung von Gedächt­nis und Erin­ne­rung nach Auschwitz. Ein re­gio­naler Schwer­punkt liegt dabei auf Ar­bei­ten zum jü­di­schen Le­ben in Ber­lin und Bran­den­burg (Lehr­stuhl­pro­jek­te).

II. Literarische Kultur deutscher Juden im NS-Deutschland

Es ge­hört zu ei­nem der we­sent­lichen Vor­haben des Lehrstuhls, den seit Jahr­zehn­ten be­trie­benen For­schungen zur Li­te­ra­tur des anti­fa­schis­ti­schen Exils, zur so­genann­ten Inneren Emi­gra­tion und zur NS-Li­te­ra­tur eine Be­trach­tung der li­te­ra­ri­schen Kul­tur und Kom­mu­ni­ka­tion deut­scher Ju­den im na­tio­nal­so­zia­lis­ti­schen Deutsch­land ver­glei­chend zur Sei­te zu stel­len. Das Pro­jekt ei­ner neu zu schrei­ben­den Ge­schich­te deutsch­spra­chi­ger Li­te­ra­tur für die Jah­re nach 1933 ge­hört da­her zu sei­nen spe­zi­fi­schen For­schungs­vor­haben (For­schungs­schwer­punkt).

III. Exil, Emigration und Remigration

Im wissenschaftlichen wie im ge­sell­schaft­li­chen Dia­log über die Zeit des Na­tio­nal­so­zia­lis­mus und de­ren Fol­gen kommt dem Lehr­stuhl auch mit sei­ner the­ma­ti­schen Aus­rich­tung auf Fra­gen des Exils eine be­son­dere Be­deu­tung zu. Er ist in­ter­dis­zi­pli­när aus­ge­rich­tet und be­fasst sich in der For­schung wie in der Leh­re mit dem Exil der Kün­ste, Li­te­ra­tu­ren und Wis­sen­schaf­ten. Eine den Ent­wick­lun­gen des Fachs adä­qua­te über­na­tio­na­le so­wie zeit­li­che Öff­nung des Ver­ständ­nis­ses vom Exil in die Jah­re der Nach­kriegs­zeit bzw. der Re­mi­gra­tion prägt sei­ne Ak­ti­vi­tä­ten. Dem über­re­gio­na­len Cha­rak­ter des Exils Rech­nung tra­gend und zu­gleich des­sen Zen­tren­bil­dun­gen be­rück­sich­ti­gend, sol­len ins­be­son­dere For­schun­gen zu noch im­mer un­zu­rei­chend er­schlos­se­nen re­gio­na­len Schwer­punk­ten wie dem mit­tel- und ost­eu­ro­pä­ischen Raum, dem la­tein­ame­ri­ka­ni­schen so­wie dem asia­ti­schen Raum ge­för­dert wer­den.

Zu ein­em Zeit­punkt, da sich Per­spek­ti­ven, Fra­ge­ho­ri­zon­te und The­men­stel­lun­gen der Exil­for­schung auf­fal­lend ver­ste­tigt ha­ben, wird die­se zu­gleich als eine „nor­mal science“ er­kannt, de­ren Selbst­ver­stän­dnis einer „Neu­jus­tie­rung“ be­darf. Vor die­sem Hin­ter­grund sol­len die un­ter­schied­li­chen Ar­bei­ten des Lehr­stuhls un­ter ver­än­der­ten theo­re­ti­schen Ge­sichts­punk­ten neue wis­sen­schaft­li­che Fra­gen an die Quel­len for­mu­lie­ren, – bei­spiels­wei­se im Kon­text der Iden­ti­täts­for­schung, des in­ter­kul­turel­len und in­ter­re­li­giö­sen Dia­logs, der Dar­stel­lung jü­di­scher Kul­tur und Ge­schich­te, der Gen­der­for­schung, der Kul­tur, Ge­schich­te und Li­te­ra­tur der Nach­kriegs­zeit. Nicht zu­letzt sol­len der­ar­ti­ge me­tho­di­sche Neu­an­sät­ze in einen Dia­log mit Ent­wick­lun­gen der ge­gen­wär­ti­gen Mi­gra­tions­for­schung tre­ten (Dis­kus­sions­fo­rum "Beweg­tes Eu­ro­pa").

IV. Migrationsforschung

Mit sei­nem drit­ten the­ma­ti­schen Schwer­punkt in der Mi­gra­tions­for­schung wird der Lehr­stuhl nicht nur eine in der Li­te­ra­tur­wis­sen­schaft (Lese­reihe "Zwi­schen()Wel­ten" Veranstaltungen) noch ver­gleichs­wei­se jun­ge Dis­zi­plin wei­ter ent­wickeln kön­nen, son­dern viel­mehr in der Bün­de­lung seiner the­ma­ti­schen Schwer­punkte theo­re­ti­sche Er­kennt­nis­se der Exil- und Dias­pora­for­schung für die Mi­gra­tions­for­schung frucht­bar ma­chen und umgekehrt ("Beweg­tes Eu­ro­pa" – Offe­nes Fo­rum Mi­gra­tion und Li­te­ra­tur). Er stärkt hier gleich­zei­tig einen aus­ge­wie­se­nen For­schungs­schwer­punkt der Via­drina und soll eine the­ma­ti­sche Ver­net­zung der ver­schie­de­nen Fä­cher und Fa­kul­tä­ten be­för­dern.

V. Visualisierung der Erinnerung des Exils und der Diaspora

Ne­ben einer in­ter­dis­zi­pli­när aus­ge­rich­te­ten For­schung und ein­er for­schungs­na­hen Leh­re in den be­schrie­be­nen Be­rei­chen wid­met sich der Lehr­stuhl der Vi­sua­li­sie­rung und Vir­tua­li­sie­rung von Ge­dächt­nis und Er­in­ne­run­gen des Exils und der Dias­pora. Die Nut­zung und Er­wei­te­rung vor­han­de­ner EUV-Ar­chi­ve (wie u.a. des Karl Dedecius Archivs) sowie die Ein­bindung die­ser Be­stän­de in künf­ti­ge For­schungs­vor­ha­ben, Kon­fe­ren­zen, Lehr­pro­jek­te und öf­fent­li­che Ver­an­stal­tun­gen gehören zu den Auf­ga­ben des Lehr­stuhls.

Als Pi­lot­projekt begann im Mai 2014 die DFG-geförderte Arbeit an einem „Digitalen Ar­chiv jü­di­scher Au­to­rin­nen und Au­to­ren in Berlin 1933-1945“ (DAjAB). Ein darauf aubauendes "On­line-Le­xi­kon jü­di­scher Au­to­rin­nen und Au­to­ren im na­tio­nal­so­zia­lis­ti­schen Deutsch­land" (OLjA) ist ge­plant. Der Lehr­stuhl setzt damit seine Be­mü­hun­gen um die Do­ku­men­ta­tion der Ver­fol­gung jü­di­scher Au­to­rin­nen und Au­to­ren in­ner­halb Deutsch­lands wäh­rend der Zeit des Na­tio­nal­so­zia­lis­mus auf vir­tu­el­ler Ebe­ne fort und kann da­mit in der Zu­kunft eine in der Welt ein­zig­ar­ti­ge Samm­lung an der Via­drina prä­sen­tie­ren.

In seinem öf­fent­li­chen Wir­ken soll der Lehr­stuhl zu einer ak­ti­ven Stim­me im ge­sell­schaft­li­chen Dia­log über Ge­dächt­nis, Er­in­ne­run­gen, Li­te­ra­tur und Ge­schich­te wer­den. Er soll im in­ter­re­li­giö­sen und in­ter­kul­tu­rel­len Dia­log, z.B. mit der Do­ku­men­ta­tion und Auf­ar­bei­tung eth­ni­scher Ver­fol­gun­gen, für eine größere To­le­ranz und ein er­wei­ter­tes Ver­ständ­nis im ge­sell­schaft­li­chen Mit­ein­an­der wer­ben.