PD Dr. Estela Schindel
Heide Fest
Die Sprechstunde findet nach Vereinbarung statt. Bitte melden Sie sich per E-Mail unter schindel@europa-uni.de.
PD Dr. Estela Schindel ist wissenschaftliche Koordinatorin des Viadrina Instituts für Europa-Studien. Zu ihren Forschungsschwerpunkten gehören die sozialen Dynamiken der Exzeption und Exklusion, Biopolitik, Grenz- und Mobilitätsregime sowie das Anthropozän als epistemische Krise, dekoloniale Kritik, Diktatur- und Gewaltforschung und Erinnerungskulturen in komparativer Perspektive.
Wintersemester 2022/23
Research Fellow des Programms ‘The Anthropocene as Multiple Crises’ am Maria Sibylla Merian Center for Advanced Latin American Studies
2022
Habilitation und Verleihung der Lehrbefugnis als Privatdozentin an der kulturwissenschaftlichen Fakultät der Europa-Universität Viadrina Frankfurt (Oder). Venia Legendi: Soziologie.
Seit 2017
Wissenschaftliche Koordinatorin und seit 2018 wissenschaftliche Geschäftsführerin des Viadrina Instituts für Europa-Studien, Kulturwissenschaftliche Fakultät, Europa-Universität Viadrina.
2013–2017
Wissenschaftliche Mitarbeiterin im Fachbereich Soziologie und Geschichte und akademische Koordinatorin des Doktorandenkollegs „Europa in der globalisierten Welt“ am Exzellenzcluster „Kulturelle Grundlagen von Integration“, Universität Konstanz.
2010–2013
Wissenschaftliche Mitarbeiterin im Rahmen des ERC-Projekts „Narratives of Terror and Disappearance“ im Fach Ethnologie am Romanischen Seminar der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg (5/2010–9/2011) und am Lehrstuhl für Kulturwissenschaften und kulturwissenschaftliche Methoden der Universität Konstanz (10/2011–4/2013).
2009–2010
Gastdozentin im Masterstudiengang Geschichte und Gedächtnis der Universität LaPlata (UNLP) und im Sozialwissenschaftlichen Doktorandenprogramm der Universität Entre Ríos (UNER), Argentinien (DAAD-Gastdozentur).
2004–2008
Lehrbeauftragte im Fach Soziologie und im Masterstudiengang Interdisziplinäre Lateinamerika-Studien, Lateinamerika-Institut, Freie Universität Berlin.
2004
Promotion in Soziologie an der Freien Universität Berlin (Prädikat: Summa cum Laude).
Sommersemester 2024
Foucault's Futures: Readings and reception forty years after.
The 40th anniversary of Michel Foucault’s death in 2024 offers the opportunity to examine his work from the perspective of the social and cultural transformations happened since and to reassess the reception and influence of this key thinker of the twentieth century. Our emphasis on the future is twofold. On one side, it refers to the future of the Foucault’s ouvre: how has is work been read and discussed through the last decades and how can this legacy be further developed? On the other side, by referring to the future we aim to address the potential of Foucault’s work for thinking the challenges of a troubled present and an uncertain tomorrow. The course will engage with main problems dealt with in Focault’s writings and discuss their impact and potential for the social and cultural sciences. Specifically, we want to focus on his work on Reason and Madness, Disciplinary Societies and Enclosure Institutions, Biopolitics and State Racism, and Technologies of the Self. His own texts will be followed by others from authors who have taken up on the perspectives opened by Foucault and further developed or criticized those works. In addition to the readings we intend to invite guests, external and from the Viadrina, to share how they have been influenced by Michel Foucault in their own research and teaching.
Moodle-Kurs
Veranstaltungsbeginn: Di 09.04.2024, 16:15-17:45 Uhr, Präsenz GD 06
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Sozial- und Gesellschaftstheorie
Die Lehrveranstaltung Sozial- und Gesellschaftstheorie bietet BA-Studierenden eine Einführung in relevante Ansätze der Sozialwissenschaften und einen ersten Zugang zum soziologischen Denken. Zunächst werden die theoretischen Grundlagen von „Klassikern“ der Soziologie wie Karl Marx, Max Weber, Émile Durkheim und Georg Simmel vorgestellt, Autoren, für welche die europäische Moderne und die Industrialisierung sowohl Kontext als auch Gegenstand der Untersuchung sind. Daran anschließend werden bedeutende theoretische Beiträge aus dem zwanzigsten Jahrhundert, wie die der Frankfurter Schule, des Funktionalismus, der Systemtheorie und der Actor-Network-Theory sowie von Schlüsselautor*innen wie Hannah Arendt, Niklas Luhmann, Michel Foucault und Pierre Bourdieu aufgeführt. Zum Schluss wird auf die post- und dekolonialen Perspektiven eingegangen, die die eurozentrischen Prägungen der klassischen Sozialwissenschaften hinterfragen. Bei jedem der untersuchten theoretischen Ansätze möchten wir auf die Definition der Gesellschaft und des handelnden Subjekts eingehen, die sie voraussetzen. Welches Verständnis von individuellem und kollektivem Handeln liegt ihnen zugrunde? Welche Problemstellungen werden priorisiert? Wird der Akzent etwa auf Kohäsion und Ordnung oder auf Konflikt und Wandel gelegt? Steht Struktur oder Handlungsfähigkeit im Vordergrund? Was ist Soziologie und was ist das eigentlich, die „Gesellschaft“?
Moodle-Kurs
Veranstaltungsbeginn: Mo 08.04.2024, 16:15-17:45 Uhr, Präsenz HG 162
Wintersemester 2023/24
Dekoloniale Kritik
Die Krisen der Gegenwart, wie u.a. die globale Umweltkatastrophe, fordern die etablierten Formen der Wissensproduktion heraus und verlangen nach einer Erweiterung des theoretischen und konzeptuellen Vokabulars der Sozialwissenschaften. In diesem Zusammenhang erfahren Ideen und Konzepte aus dem globalen Süden eine neue Rezeption und werden als Ansätze für eine post- eurozentrische Denkweise wahrgenommen. Das Seminar befasst sich mit der dekolonialen Kritik lateinamerikanischer Autor:innen und diskutiert diese vor dem Hintergrund der Erschöpfung vieler epistemischer Annahmen der ‚Mainstream‘-Soziologie, deren Fokussierung auf die westliche moderne Gesellschaft zunehmend kritisch betrachtet wird. Auch wenn sie Affinitäten zu postkolonialen Theorien aufweisen, insbesondere in ihrer Kritik der epistemischen Gewalt, die mit den eurozentrischen Formen der Wissensproduktion als vermeintlich einzig und universell gültig verbunden ist, setzen lateinamerikanische dekoloniale Perspektiven ihre eigenen Schwerpunkte. Sie gehen von der Annahme aus, dass Moderne und Kolonialität nicht voneinander zu trennen sind und dass Kolonialität (noch) konstitutiv für die Moderne ist. Anders als die Postcolonial Studies bilden sie kein klar abgegrenztes akademisches Feld, sondern es handelt sich um eine Reihe kritischer Positionen. Insofern sie eine Kritik an den Annahmen der gängigen Formen der Wissensproduktion implizieren, gehen sie auch über die Trennung von Theorie und Empirie hinaus und schließen die Vorstellung einer "verkörperten" Praxis ein. Neben Autor:innen der so genannten Gruppe Modernidad/ Colonialidad der 1990er Jahre (Enrique Dussel, Arturo Escobar, Ramón Grosfoguel, Aníbal Quijano) werden auch weniger bekannte (Rodolfo Kusch) und neuere Stimmen im Seminar herangezogen, wie jene, die auf amerindianische Epistemologien verweisen (Viveiros de Castro, Ailton Krenak) oder sich auf die Dekolonisierung der Geschlechter (Rita Segato), der Subjektivität (Silvia R. Cusicanqui) und des "kolonialen Unbewussten" (Suely Rolnik) beziehen. Welche Beiträge, Irritationen und Widersprüche produzieren diese Perspektiven in Bezug auf die etablierten Gesellschaftstheorien? Die Lehrveranstaltung knüpft an das Seminar Postkoloniale Soziologie (SoSe 2022) an, dessen Besuch ist jedoch keine Bedingung für die Teilnahme.
The Anthropocene and the Social Sciences
The Anthropocene designates the geological era in which humans have become the decisive factor shaping the surface of the earth. The term was introduced by the Chemist Paul Crutzen in an attempt to account for the massive changes that have occurred in the earth's geology and ecosystems. From the perspective of the social and cultural sciences the concept has been criticized for imagining humanity as a unitary whole, erasing existing inequalities and power imbalances. The term Anthropocene has also been refuted for retaining a dualistic understanding of the relationship between humanity and nature, a scission that consolidates the human exceptionalism that puts the human as a privileged subject of agency separated from the rest. In spite of this critique, the Anthropocene has widely established itself as a general designation for a conversation about humankind's place in the web of life. The term relates to a diagnosis and to a field of discussion, reaching across the disciplinary boundaries between the humanities and the social and natural sciences. In this context, the alliances or collaborations between humans and non-humans and the consequent imbrication of the social, the natural and the technological worlds are brought to the fore. For the social sciences, however, the Anthropocene poses a significant challenge as it questions the place of human subjects and the separation between society and nature that underlies mainstream social theory. It thus demands decentering Western anthropocentric assumptions for apprehending the world, with the concomitant search for alternative epistemologies and a post-dualist, posthuman, relational concept of subjectivity. The seminar presents the main lines of debate around the Anthropocene and discusses both shortcomings of the social sciences as well as recent theoretical contributions that aim to account for the transformations currently underway.
Sommersemester 2023
Die Oder als juristische Person? Zur (Rechts)Subjektivität von Flüssen und Natur
Die polnische Bürger*inneninitiative Marsz dla Odry – Osoba Odra ("Marsch für die Oder – Die Oder als Person") plant für das Frühjahr 2023 eine mehrwöchige Wanderung entlang der Oder, um ihre Anerkennung als Rechtssubjekt zu fordern. In den letzten Jahrzehnten werden von Neuseeland bis Kolumbien, in verschiedenen Ländern der Welt, Flüsse, Wälder und sogar die Natur zu "juristischen Personen" mit eigener Rechtssubjektivität erklärt. Von der Zuweisung eines Rechtsstatus der Natur erhoffen sich Befürworter*innen solcher Initiativen, die ökologischen Interessen von Flüssen und Wäldern gerichtlich verteidigen zu können, insbesondere gegen Umweltschäden durch große Konzerne. Theoretisch-konzeptuell knüpfen diese Forderungen an Impulse an, die in den letzten Jahrzehnten auf die Verflechtung der Menschen mit dem Nicht-Menschlichen oder Mehr-als-Menschlichen und seiner Umwelt hingewiesen und die Zuschreibung von Subjektivität auf nicht-menschliche Aktanten ausgedehnt haben. Wie stehen diese Konzepte in Bezug zu den Forderungen und Maßnahmen, die auf die Erlangung von Rechtssubjektivität der Natur ausgerichtet sind? Was bedeuten sie für ökologische Schäden an der Oder wie das große Fischsterben im Sommer 2022, und wie können sie sich auf den grenzüberschreitenden Raum Frankfurt/Słubice auswirken? Das Forschungsseminar nimmt die Aktion "Marsch für die Oder" zum Anlass, eine kritische Reflexion des Verhältnisses von Flüssen zu ihrer Umwelt sowie der Frage nach der Subjektivität dessen, was die westliche Moderne "Natur" nennt, anzuregen. Im ersten Teil des Seminars werden wir Texte von Autor*innen lesen, die sich mit diesen Fragen auseinandersetzen, unter anderem im Rahmen der Diskussion um das Anthropozän. Anschließend entwickeln die Studierenden einzeln oder in Gruppenarbeit eigene Forschungsprojekte, die abschließend entweder in einem Text oder einem anderen Format (Video, Podcast, Foto, Blog, etc.) festgehalten werden. Geplant ist ein Besuch der Aktivitäten der Initiative "Marsch für die Oder" während des Zwischenaufenthalts in Frankfurt/Słubice sowie die Möglichkeit von Exkursionen und Interviews mit dem Seminar "Asymmetrien im Fluss: Die Oder als Spiegel der deutsch-polnischen Beziehungen" von Dr. Anja Hennig. Beide Seminare sind komplementär zueinander, eine parallele Teilnahme ist möglich und wird begrüßt.
Der Beitrag "At least one clean river in Poland." How can the Oder become a legal person? Essay and interview with Robert Rient (Osoba Odra) der Seminarteilnehmerin Helen Lessing ist im Wissenschaftsblog Polenstudien erschienen.
Sozial- und Gesellschaftstheorie
Die Vorlesung Sozial- und Gesellschaftstheorie bietet BA-Studierenden eine Einführung in relevante Ansätze der Sozialwissenschaften und einen ersten Zugang zum soziologischen Denken. Zunächst werden die theoretischen Grundlagen von „Klassikern“ der Soziologie wie Karl Marx, Max Weber, Émile Durkheim und Georg Simmel vorgestellt, Autoren, für welche die europäische Moderne und die Industrialisierung sowohl Kontext als auch Gegenstand der Untersuchung sind. Daran anschließend werden bedeutende theoretische Beiträge aus dem zwanzigsten Jahrhundert, wie die der Frankfurter Schule, des Funktionalismus, der Systemtheorie und der Actor-Network-Theory sowie von Schlüsselautor*innen wie Norbert Elias, Hannah Arendt, Niklas Luhmann und Pierre Bourdieu aufgeführt. Zum Schluss wird auf die post- und dekolonialen Perspektiven eingegangen, die die eurozentrischen Prägungen der klassischen Sozialwissenschaften hinterfragen und innovative theoretische Impulse ‚aus dem Süden‘ einbringen.
Bei jedem der untersuchten theoretischen Ansätze möchten wir auf die Definition der Gesellschaft und des handelnden Subjekts eingehen, die sie voraussetzen.
Die Vorlesung wird ergänzt durch ein Tutorium, das sich anhand von Primär- und Sekundärliteratur näher mit den besprochenen Autor*innen beschäftigt. Die Termine hierfür werden zum Semesteranfang bekannt gegeben.
Sommersemester 2022
Postkoloniale Soziologie
Die postkolonialen Theorien haben einige epistemische Grundannahmen der Soziologie in Frage gestellt, das Fach theoretisch und methodisch herausgefordert, und eine Debatte innerhalb der Disziplin ausgelöst. Aus postkolonialer Perspektive geht etwa die grundsätzliche soziologische Unterscheidung in moderne und traditionelle Gesellschaften mit der impliziten Annahme einer Modellhaftigkeit der westlichen Moderne einher, die selbst neokoloniale Züge und einen eurozentrischen Bias aufweist. Auch werden aus postkolonialer Sicht die Betrachtung des Kolonialismus und seiner Folgen von der Soziologie vernachlässigt, die den eigenen Standpunkt als den ‚Allgemeinen‘ universalisiert und globale Ungleichheiten letztendlich naturalisiert. Vor diesem Hintergrund kann die postkoloniale Kritik zu einer Bereicherung der Soziologie beitragen: Exklusionen und Rassismen erhalten dadurch erhöhte Aufmerksamkeit; Themenkomplexe wie Geschlecht, Intersektionalität und Migration werden vor dem Hintergrund der Kolonialgeschichte und ihrer Effekte neu verhandelt; globale Verflechtungen können systematischer in die Analyse integriert werden. Zugleich werden mögliche Widersprüche der postkolonialen Kritik angemahnt, wie die Orientierung an einem Ideal der Emanzipation, das selbst stark vom westlichen Humanismus geprägt ist. Zudem wird bei den postkolonialen Studien ein schwaches Interesse für Ansätze und analytische Methoden der Soziologie bemängelt. Was bedeutet die postkoloniale Perspektive konkret für die Soziologie? Kann der soziologische Kanon um die postkoloniale Kritik erweitert werden und wie können die theoretischen Ansätze und Methoden der Soziologie zur postkolonialen Forschung beitragen? Ist eine Postkoloniale Soziologie ein Widerspruch in sich oder können beide Ansätze kompatibel und gegenseitig fruchtbar gemacht werden?
Das Seminar geht diesen Fragen nach und thematisiert sie vor allem mit Bezug auf Identität, Alterität, Universalismus und Wissensproduktion. Nach einer Einführung in die grundlegenden Texte der postkolonialen Theorien werden wir uns mit den verschiedenen Positionen in der Debatte beschäftigen und sie anhand von Beispielen aus der Forschung diskutieren. Abschließend werden wir die Möglichkeiten einer globalen, postkolonialen, connected, oder provinzialisierten Soziologie sowie die spezifischen Beiträge des dekolonialen Denkens zu dieser Diskussion besprechen.
Biometric Borders
Biometric technologies are being increasingly implemented for border surveillance and control in the EU and worldwide. Their fast development poses a series of challenges in terms of data protection and privacy rights, but also concerning the assumptions and consequences for the definition of the human. By capturing, digitizing and storing information about physiological characteristics, biometric controls rely on the assumption of a single discrete physical body attached to an individual with a stable identity. Furthermore, biometric technologies read the body in ways that break down and expand what used to be considered the individual’s physical boundaries. The expansion of biometric technologies thus challenges the terms under which the individual is inscribed and their identity recorded and it poses questions that concern the very status of the human. Where does a ‘person’ begin and end? To what extent does data constitute what a person ‘is’? How do individuals relate to their so-called ‘data-doubles’? What normalized bodies emerge through biometric controls and what new forms of bias and discrimination along race, class or gender lines may underlie the apparent neutral character of technology?
The seminar first offers an overview about the state of the art of biometric border control in the EU and the main actors shaping this field. We will then engage with recent research about the political and cultural implications of biometric controls and discuss critical initiatives from hackers, artists and activists. We will study the challenges posed by the expansion of biometric technologies of border control and discuss the emerging borders in a twofold sense: the borders surveilled and controlled through biometrics, and the new borders of the human that biometric controls may be bringing along.